Montag, 20. Dezember 2010

Warum Halloween nicht keltisch ist

Der Name leitet sich aus Mittelenglisch ealra halgena mæsse (Allerheiligen, erstmals belegt 1083 n.Chr.) ab, und nicht aus einem keltischen Wort. Erstbelegt ist eine Formform des Begriffs Hallowe’en – laut Oxford English Dictionary – in den Chron. Grey Friars im Jahre 1556 n.Chr., als Halhalon evyn, der Vorabend von Allerheiligen, später verkürzt zu Hallowe’en (in dieser Form erstmals belegt im 18. Jh. n.Chr.). Etwa gleichen Alters wie der Name Hallowe’en scheint auch das bekannteste damit assoziierte Symbol, ‚Jack o’lantern’, die Laterne aus einer ausgehöhlten und mit einer Grimasse versehenen Rübe. ‚Jack o’lantern’ ist erstmals 1663 als Begriff für den Nachtwächter überliefert, 1673 erstmals für das Irrlicht, als ‚Laternenrübe’ erscheint er erstmals (mit Bezugnahme auf die Bedeutung Irrlicht) im Jahr 1837 in einer Sammlung von Gruselgeschichten des Amerikaners Nathaniel Hawthorne, „Twice Told Tales“. Auch die Praxis des ‚guising’ – verkleidete Kinder, die durch die Nacht von Tür zu Tür ziehen und kleine Kunststücke vorführen, um ein Geschenk zu bekommen – wird zum ersten Mal im 19. Jahrhundert in den schottischen Industriestädten fassbar.
Möglicherweise sind einige der verschiedenen mit Hallowe’en verbundenen Bräuche etwas höheren Alters als diese ersten Belege. Aus Rüben oder anderen relativ weichen Pflanzen geschnitzte Laternen, mit oder ohne Grimassen als „Leuchtlöcher“, mögen durchaus aus älteren Bräuchen erwachsen sein. Es ist aber weder möglich, ein Alter für diese Bräuche anzugeben, noch ihre ursprünglichen Bedeutungen und Inhalte.
Die beiden einzigen Verbindungen, die fassbarer Weise zwischen Hallowe’en und dem irischen Sam(h)ain bestehen, ist erstens der Termin – beide fallen auf die Nacht vom 31. Oktober zum 1. November – und zweitens die räumliche Verbreitung des Fests im 19. Jahrhundert, die unter anderem das zu diesem Zeitpunkt bereits stark anglisierte Irland umfasst. Sonstige angebliche Verbindungen zwischen einem angeblichen vorchristlichen Fest in Irland (über das uns keinerlei Informationen vorliegen, nicht einmal, ob es ein solches überhaupt gegeben hat) und Hallowe’en sind in den Bereich der reinen Phantasie zu verweisen. Dennoch unternimmt die Populärliteratur, zu der auch die „esoterische Literatur“ zu zählen ist, auf sehr unbekümmerte Weise diese Übertragung von „Sam(h)ain“ auch auf Gebiete außerhalb Irlands und vor dem Frühmittelalter. Bezeichnung, Datum und ungefährer Inhalt (dunkle Jahreszeit beginnt; Vieh, das nicht über den Winter gebracht werden kann, wird geschlachtet) dieses Festes ist hauptsächlich überliefert durch vor allem irische Texte des frühen Mittelalters. Sie belegen dieses Fest chronologisch gesehen auch nur für das frühe Mittelalter, sind verfasst von christlichen Mönchen und dementsprechend zu interpretieren. Es ist keineswegs davon auszugehen, dass auch für die vorchristlichen Perioden, die traditionell mit den „Druiden“ in Verbindung gebracht werden, ein Fest dieser Bezeichnung an diesem Datum und mit ungefähr diesem Inhalt abzuleiten ist.
(zitiert aus: Raimund Karl, Jutta Leskovar, Klaus Löcker, Zum Informationspapier und Aufruf von Martin Gaisberger. Das Phänomen „Hallowe’en“ – Bemerkungen aus Sicht der Ur- und Frühgeschichtsforschung und der kulturwissenschaftlichen Keltologie. Unveröffentlichtes Manuskript, Linz/Wien 2006.)
Der Kürbis - im übrigen eine Pflanze der Neuen Welt

Donnerstag, 25. November 2010

Archäologische Fundorte - Immer Kultplätze?

Eine Verbindung zwischen Archäologie, Kelten und dem, was ich weitgefasst "esoterische Szene" nennen möchte, sind Fundorte, die als Kraft- oder Kultplätze bezeichnet werden. Vor allem Geomanten beschäftigen sich mit der (Aus-)Strahlung von Orten und glauben an die kulturgeschichtlich sehr frühe Nutzung besonders wirkmächtiger Orte. Mithilfe geomantischer Techniken, die mir nicht vertraut sind, ordnen sie Orte nicht nur zeitlich zu, sondern auch thematisch (für Männer, für Frauen, für bestimmte Lebensbereiche, usw.). Meistens hat die Archäologie dazu eine andere Meinung.
Die einmalige (kultische) Benutzung eines besonders schönen Platzes in den Bergen vor, sagen wir, 2500 Jahren läßt sich archäologisch weder be- noch widerlegen. Über lange Zeiträume verwendete Kultorte sind aber durchaus feststellbar - ein Beispiel wären die hallstattzeitlichen Brandopferplätze in den Alpen. Ansonsten ist gerade der "kultische Bereich" ein archäologisch schwierig zu erfassendes Thema. Geomanten und Archäologen werden hier wohl noch längere Zeit aneinander vorbeireden.
Grundsätzlich ist dies kein Problem - Orte in der freien Natur sollen allen das bieten, was sie sich wünschen oder von ihnen erwarten. Eine wichtige Einschränkung muss angefügt werden: solange nicht ein Ort, der tatsächlich ein archäologisches Bodendenkmal ist, beschädigt wird (beispielsweise durch illegale Grabungen).

"Die Kelten" und Archäologie

Die letzten 800 Jahre vor Christi Geburt werden als Eisenzeit bezeichnet. Die ältere Hälfte ist die Hallstattzeit, die jüngere die Latènezeit - diesbezüglich herrscht seit längerem weitgehende Einigkeit innerhalb der Archäologie. Nachdem die ersten Archäologen auch ihren Caesar gelesen hatten, war ihnen daran gelegen, die neudefinierten archäologischen Stufen mit antiken Völkernamen in Einklang zu bringen. Es dauerte nicht lange, und das Wort "Kelten" wurde der Eisenzeit, teilweise der gesamten, teilweise nur der jüngeren übergestülpt. Anfangs wurde z.B. die Hallstattzeit auch noch mit "den Illyrern" gleichgesetzt. Diese sind mittlerweile den sanften forschungsgeschichtlichen Tod gestorben und werden so gut wie nicht mehr erwähnt. Die Kelten für die Latènezeit sind hingegen hartnäckiger. Die Begriffe "keltisch" und "latènezeitlich" werden auch in der modernen Fachliteratur noch sehr oft gleichbedeutend verwendet. Das ist einigermaßen verwunderlich, denn gleichzeitig hat die moderne Archäologie gar nicht mehr so viel Freude mit Volksbezeichnungen von archäologischen Kulturen.

Keltenbaumkreis

Die angeblich hohe Bedeutung von Bäumen für "die Kelten" wird vor allem anhand des sogenannten "Keltenbaumkreises" bzw. "Baumhoroskops" immer wieder behauptet. 22 Bäume bilden ein Horoskop (wobei sich die konkreten Baumarten von Buch zu Buch unterscheiden), in dem jeder/jede sich anhand des Geburtsdatums einordnen kann. Ich "bin" der Olivenbaum, zweifle aber nicht nur am Baumhoroskop, sondern auch an der Überlebensfähigkeit des Olivenbaums im oberösterreichischen Winter.
Ausgehend vom Baumhoroskop wurden bereits zahlreiche Baumkreise errichtet - zumeist finanziert durch Steuergelder (Landes- und Gemeindebudgets, EU-Fördergelder).
Es ist längst erwiesen, dass es sich beim keltischen Baumkreis bzw. -kalender/horoskop nicht um etwas original Prähistorisches, sondern um eine Erfindung der 70er Jahre (des 20. Jh.) handelt. Paule Desol entwickelte es im Auftrag der französischen Frauenzeitschrift Marie Claire als "Horoskop Gaulois".
Immer wieder findet man vor allem im Internet den Hinweis auf diese Tatsache, läßt sich dann aber von der Gestaltung von "Keltischen Baumkreisen" trotzdem nicht abhalten. Gegen Baumkreise ist natürlich nichts einzuwenden; das Label "keltisch" ist aber irreführend.

Kelten.Baum.Weg St. Georgen/Attergau (OÖ) http://www.attergau.at/

"Die Kelten" im Tourismus

Keltisches ist nicht zuletzt auch für den Tourismus zu einem wichtigen Faktor geworden. Natürlich läßt sich ein Freilichtmuseum mit dem Begriff "Keltendorf" besser vermarkten als wenn es "Museum zur Darstellung eisenzeitlicher Lebensweise" heißen würde. Letztendlich hängt die Qualität von der wissenschaftlichen Betreuung eines Museums, eines Wanderweges, einer Veranstaltung ab. Laien greifen sich aus dem großen Angebot an Büchern und Internetseiten natürlich jene Themen und Elemente heraus, die gerade in ihr Konzept passen. Aus dem Überangebot sinnvoll auszuwählen ist ja tatsächlich nicht einfach. Deshalb ist es der Sache immer dienlich, sich für die Verwirklichung touristischer Projekte wissenschaftliche Betreuung zu holen.

Freilichtmuseum Mitterkirchen (J. Leskovar)

"Die Kelten" als konkrete Vorfahren

In der öffentlichen Vorstellung gelten vor allem die westlichen Ränder Europas immer noch als (oder: als immer noch) "keltisch": Irland, die Isle of Man, Wales, Schottland, Cornwall und die Bretagne sind die bekannteren, aber auch spanische Regionen wie Asturias und Galizien verweisen zunehmend auf die (angeblich hohe) Bedeutung "der Kelten" für ihr kulturelles Erbe.
"Die Kelten" haben einen hohen Identifikations-Wert für große Teile der Bevölkerung, was auch in intensiver touristischer Vermarktung deutlich wird.

"Die Kelten" im Neuheidentum

Zahlreiche Druidenorden existieren auf der ganzen Welt. Ihre Mitglieder versuchen im neuheidnischen Geist eine Art wiederbelebte "keltische" Religion modernen Zuschnitts zu leben. Vielen ist dabei die möglichst genaue Kenntnis des "Originals" wichtig, andere fügen einige bekannte Teile bewusst zu etwas Neuem zusammen. Es geht um ein gutes Verhältnis zur Natur, um Selbstfindung, um gelebte Spiritualität abseits der etablierten Kirchen, aber auch um Heimatverbundenheit (was in manchen Fällen Richtung rechtes Gedankengut driften kann, aber keineswegs immer muss). Die antiken Druiden sind Vorbilder.
Keltisch orientierte NeuheidInnen versuchen also, möglichst viel über die Vergangenheit herauszufinden und bedienen sich dabei der gleichen Quellen, die auch WissenschaftlerInnen nutzen: archäologische Funde, antike Texte, usw. Sie verbinden diese Quellen allerdings zu einem (aus wissenschaftlicher Sicht) etwas abenteuerlichen Bild. "Die Kelten" und ihre Druiden werden oft recht schwärmerisch als naturverbundene frühe Krieger-Philosophen dargestellt, denen es nachzueifern gilt. An sich ist dagegen nichts einzuwenden: jeder und jede kann sich natürlich sein/ihr eigenes Bild der Urgeschichte und der "Keltenzeit" machen, um daraus moderne (neuheidnische) Weltbilder zu gestalten. Als Archäologin muss ich darauf hinweisen, dass die meisten archäologischen (und sonstigen wissenschaftlichen) Bezüge, die in neuheidnischen Büchern hergestellt werden, meistens nicht dafür geeignet sind, das zu beweisen, was jeweils gerade bewiesen werden soll.


Gundestrupkessel, Nationalmuseum Kopenhagen (J. Leskovar)
Ein Beispiel: In vielen keltisch orientierten neuheidnischen Büchern wird der sog. Gundestrupkessel (ein Silberkessel mit reichen szenischen Darstellungen (1.Jh.v.Chr.), gefunden in einem dänischen Moor, der aber sicher ursprünglich nicht aus Dänemark stammt, aber aufgrund der Motive auch in der Fachliterur oft als "keltisch" bezeichnet wird) erwähnt. Eine typische Vergleichskette wäre dann die Beschreibung hallstattzeitlicher (7./6. Jh.v.Chr.) Gräber, in denen irgendwelche Kessel gefunden wurden, sowie ein Hinweis auf irische Sagen, in denen Kessel eine Rolle spielen. Vóila: Für Kelten waren Kessel ungemein wichtig und Gegenstand spiritueller Handlungen.
Archäologische Inhalte unterschiedlichster Räume und Zeiten auf diese Weise zu vermischen, führt aber nicht unbedingt zu einem sachlich sinnvollen Ergebnis (= Wissen über die Vergangenheit), sondern bestätigt nur, was man gerne bewiesen haben möchte.

Der Begriff Kelten außerhalb der Wissenschaft

Neben den zahlreichen Keltenbegriffen innerhalb der Wissenschaft gibt es auch die häufige Verwendung des Wortes "Kelten" außerhalb - im Journalismus, in der Esoterik, im Tourismus, in modernen Nationalismen. Ich vermute, dass es sich hier meistens um den Keltenbegriff im Sinne einer Vorstellung eines "einheitlichen Volkes" handelt. Das ist auch kein Wunder: die (ungelöste) Debatte um den Keltenbegriff innerhalb der Wissenschaft hat in der öffentlichen Meinung noch keine Spuren hinterlassen.
Stonehenge 1905

Der Keltenbegriff in der Wissenschaft

Viele sagen oder schreiben "Kelten" oder "keltisch", aber (fast) alle meinen etwas anderes damit. Dies gilt auch innerhalb der Wissenschaft(en). Es gibt:
- den sprachwissenschaftlichen Keltenbegriff ("Wer eine keltische Sprache sprach/spricht, war/ist Kelte")
- den antiken Keltenbegriff ("Wer von Caesar etc. so genannt wurde, war Kelte")
- den archäologischen Keltenbegriff ("Wer latènezeitliches Material verwendet hat/im Grab hatte, war Kelte")
- den "inselkeltischen" Keltenbegriff ("Wer ursprünglich in den irisch-walisischen Sagen beschrieben war, war Kelte")
- zahlreiche Mischformen
Nicht immer schreiben alle WissenschaftlerInnen der einzelnen Fächer, welche Definitionen bzw. Mischformen sie meinen. Meistens kann man davon ausgehen, dass SprachwissenschaftlerInnen den sprachwissenschaftlichen Begriff meinen, bei ArchäologInnen kann man aber z.B. nicht mehr so sicher sein, dass sie den archäologischen meinen, den antiken Begriff verwenden fast alle irgendwann einmal, usw.
Häufig schwingt auch in den Texten von WissenschaftlerInnen die Vorstellung der Kelten als sich einheitlich zusammengehörendes Volk fühlende Gruppe mit gemeinsamer Sprache, materieller Kultur (täglich verwendete Gegenstände usw.), Religion etc.
Klar ist: es hat nie eine einheitliche Kultur, die von einem Volk namens Kelten getragen wurde, von Irland bis Anatolien und von der Hallstattzeit bis ins irische Mittelalter gegeben. Der Keltenbegriff ist nicht in dieser Weise verwendbar. Ob er überhaupt (wissenschaftlich) verwendbar gibt, ist Gegenstand intensiver Diskussionen.
Ringschmuck aus einem Grab; Mining, OÖ (E.Grilnberger, OÖ. Landesmuseen)

Dienstag, 23. November 2010

Einleitung

"Die Kelten" sind in aller Munde. WissenschaftlerInnen, EsoterikerInnen, interessierte Laien, JournalistInnen und viele andere Gruppen finden "Kelten" spannend genug, umd darüber zu schreiben, sie zur Basis ihrer spirituellen Weltbilder zu machen, gerne über sie zu lesen, usw.
In diesem Blog möchte ich die Vielfalt der Keltenbilder und -konzepte rund um "die Kelten" vorstellen und aus meiner Sicht kommentieren. Ich tue das als Prähistorikerin, also als Wissenschaftlerin, die vor allem jenen, die noch keine vorgefertigte Meinung zu "den Kelten" haben, kritisch kommentierte Meinungen vorstellen möchte.

Warum ein Blog?

Als Prähistorikerin stelle ich großes Interesse der Öffentlichkeit an allem fest, das irgendwie mit dem Begriff "keltisch" in Verbindung gebracht wird. An dieser Stelle möchte ich versuchen, die zahlreichen Themen rund um "Kelten" kurz zu besprechen - damit Interessierte sich zwischen Archäologie, Mythen, Esoterik und Literatur ein Bild der Vielfalt vom "Celtic Realm" machen können. Ich hoffe auf rege Diskussion!
Jutta Leskovar, Oberösterreichische Landesmuseen